Hintergrundgespräch „Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt – Mehr Arbeitslosigkeit oder mehr Arbeitsplätze?“

Am 1. Juni 2016 luden die Kath. Akademie des Bistums Magdeburg, die Europ. St.-Norbert-Stiftung sowie der BKU DV Magdeburg, im Rahmen der „Magdeburger Gespräche“ zu Kirche und Wirtschaft zum Hintergrundgespräch unter dem Thema „Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt – Mehr Arbeitslosigkeit oder mehr Arbeitsplätze?“ in das Roncalli-Haus Magdeburg ein. Um multiperspektiv die Erfahrungen bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt, gleichzeitig aber auch die Schwierigkeiten bei der Vermittlung in die Arbeitswelt aufzuzeigen; wurden Referenten aus den verschiedensten öffentlichen Bereiche eingeladen: Von der Agentur für Arbeit, dem Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration sowie dem Unternehmertum.

Aus Sichtweise eines Unternehmers eröffnete Peter von Pokrzywnicki, Q-con GmbH, die Debatte mit einem Impulsreferat, in welchem er schilderte, dass Migration als Chance und nicht als Krise zu verstehen ist, da ein erheblicher Mehrwert durch die neuen potentiellen Arbeitnehmer zu generieren ist. Er bekräftigte seinen Standpunkt mit seinen eigenen positiven Erfahrungen. Er selbst stellte in seiner Firma mehrere qualifizierte Flüchtlinge ein, die bereits aktiv erfolgreich in der internationalen Produktentwicklung tätig sind. Sie stellen als zusätzliche Mitarbeiter Kapazitäten für zusätzliche Aufträge außerhalb des IT-Finanzbereichs sicher. In diesem Zusammenhang verwies er auch auf die tatkräftige Unterstützung der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität, die viele englischsprachige Studiengänge – speziell im Informatikbereich – anbietet, die bei entsprechend vorliegender Voraussetzungen auch problemlos Migranten offen stehen.

Wolfgang Philipp, Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit Magdeburg, zeigte an einer Präsentation auf, dass die Prognosen der Zuwanderung in unserem Bundesland nicht mit den allgemein bekannten übereinstimmen; es jedoch ein sehr schwieriges Unterfangen ist, Flüchtlinge kurzfristig direkt in den Arbeitsmarkt einzubinden. Lediglich knapp ein Fünftel verfügen über einen formalen Berufsabschluss; dazu kommt, dass die meisten Zuwanderer über keine Deutschkenntnisse, selten Englischkenntnisse verfügen; oftmals sind sie auch gänzlich Analphabeten. Bevor man diese Personen überhaupt in einer Berufsausbildung bzw. berufsvorbereitenden Maßnahme unterbringen kann, muss erst die deutsche Sprache erlernt werden, was oftmals viel Zeit benötigt. Hinzukommen Integrationskurse, um die kulturellen Unterschiede zu überwinden bzw. ein Kennenlernen der neuen Heimat und seiner Kultur und Gebräuche zu ermöglichen. Die mangelnde Begeisterungsfähigkeit für handwerkliche Berufe ist leider auch eine zu überwindende Schwierigkeit. Auch wenn das Ziel der Agentur für Arbeit klar auf eine schnellstmögliche Integration in den Arbeitsmarkt nach einer Bleibebewilligung fokussiert ist, bestätigte der Geschäftsführer, dass diese Integration bis auf wenige Fälle eine langwierige Angelegenheit ist.

Diese Position teilte auch Dr. Kristin Körner, Referatsleiterin Arbeitsmarkt, Fachkräfte, Berufliche Bildung im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration. Der Fokus liegt eindeutig auf der Ausbildung qualifizierter Flüchtlinge. Dazu muss eine Abstimmung und Koordination aller beteiligter Akteure, wie Kammern, Arbeitsämtern, Migrationsverbänden usw. erfolgen; eine neue Arbeitsgruppe, die sich ausschließlich mit dieser Problematik beschäftigt, wurde bereits gegründet. Die Referatsleiterin bestätigte auch, dass viele junge Flüchtlinge überhaupt keine Affinität zum hiesigen Bildungssystem haben; es mangelt an Sprachkenntnissen und kulturelle Unterschiede sowie verschiedene Mentalitätseinstellungen erschweren Aus- und Weiterbildungen. Es ist unbedingt erforderlich zunächst Berufsorientierungsmaßnahmen anzubieten. Bei den angebotenen Programmen wird auch beachtet, dass bestehende Programme für hilfsbedürftige deutsche Jugendliche auf ausländische Jugendliche ausgeweitet werden. Die Potenziale erwachsener Migranten müssen schneller von den Ämtern erfasst werden; eine bessere Steuerung, wer wo in welcher Region gebraucht wird mit welchen Voraussetzungen muss strukturierter organisiert werden. Frau Dr. Körner verwies auf die Idee der Individualbegleitung; jedoch wird geschätzt, dass auch unter kontinuierlicher Betreuung die Ausbildung eines Flüchtlings zu einer qualifizierten Tätigkeit in der Regal 4 – 7 Jahre benötigen wird. Dann jedoch besteht möglicherweise die Chance für eine Konsolidierung der Sozialversicherungssysteme als Folge der gelungenen Arbeitsmarktintegration der vormaligen Flüchtlinge.

Dem demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel könnte als positive Folge der Flüchtlingsströme langfristig entgegengewirkt werden. Zu Beginn der Migrationswelle fehlte es jedoch noch an Koordinatoren und Institutionen; aktuell arbeiten Land, Kommunen und Träger aber immer strukturierter und effizienter, sodass Prozesse und Projektumsetzungen rapide beschleunigt werden konnten.

Unter reger Beteiligung der eingeladenen Gäste aus Wirtschaft, Sozialverbänden und dem kirchlichen Umfeld intensivierten die Referenten im Ausschluss bei einem kleinen Imbiss die Diskussion der Standpunkte sowie Ideen zu der Bewältigung der entstehenden Schwierigkeiten beim Prozess der Arbeitsmarktintegration der ankommenden Flüchtlinge. 

Referenten und Gäste Referenten und Gäste